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Macht und Kooperation

Einführung in Macht und Kooperation

Veröffentlicht am 05. Jul 2019

Die digitale Transformation verändert unsere Alltagskultur, die Art, wie wir kommunizieren, lernen, lesen, einkaufen, arbeiten oder Geschäfte machen. Sie wirkt darüber hinaus auch grundsätzlich: Sie verändert die Grundlagen unserer Beziehungen – also das Öffentliche, das Politische, das Strukturelle und Intersubjektive, eben das, was aus vielem Einzelnen eine Gesellschaft bildet.

Überall stellten und stellen sich Machtfragen neu. Angesichts eines „Datenmeeres“ gerieten gelernte Formen „ins Schwimmen“, Grenzen schienen sich „aufzulösen“, der „Aggregatzustand der Gesellschaft“ zu verändern – als eine mögliche Antwort wurde in der Vergangenheit „liquid democracy“ diskutiert. Inzwischen tritt deutlicher hervor, worum es in der digitalen Transformation eigentlich geht: nämlich um eine komplexe und weitreichende Verschiebung von Machtverhältnissen. Sei es das Verhältnis von Staat und Zivilgesellschaft, von Produzenten und Konsumenten, von Politik und Medien, von Hierarchien in Bildungs- oder Arbeitskontexten, von Staaten oder Unternehmen untereinander, von Menschen und Maschinen oder auch das Verhältnis des Individuums zu sich selbst. Damit stellen sich prinzipielle Fragen: Was ist eigentlich Macht? Was unterscheidet sie von Herrschaft? Welche Institutionen können Macht fruchtbar machen und einhegen? Passen unsere „Checks and Balances“ in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Arbeit noch, oder bedürfen sie einer Aktualisierung, einer Neuausrichtung? Wie gehen wir persönlich mit Macht um? Und was macht sie mit uns und unseren individuellen Beziehungen?

Das Bewusstsein für Macht ist neu erwacht. Es kann anknüpfen an umfassende Analysen aus den vergangenen Jahrhunderten. Vor allem im 20. Jahrhundert wurden auch die produktiven Seiten von Macht umfassend beschrieben. Eine neue Perspektive ergibt sich dabei aus der noch jungen anthropologischen Kooperationsforschung. Ihr zufolge zeigt sich, dass die Fähigkeit zur Kooperation der eigentliche Erfolgsfaktor der menschlichen Spezies ist. Die Digitalisierung scheint diese Fähigkeit zu begünstigen – im Guten wie im Schlechten. So gewinnen neue, sich digital organisierende Bewegungen und Organisationsformen zunehmend an Bedeutung und damit an Macht – was ganz neue Fragen aufwirft.