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Künstliche Intelligenz

Transkript zum Audio-Interview mit Staatssekretär Björn Böhning und IBM-Arbeitsdirektor Norbert Janzen zu Erfahrungen mit den KI-Anwendungen CARL und PIA

Watson: Hallo, ich bin Watson. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen bei unserem Podcast zu Künstlicher Intelligenz, dem sozialpartnerschaftlich getragenen Forschungsprojekt von IBM und ver.di. Begrüßen Sie mit mir Björn Böhning, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Norbert Janzen und Dr. Julia Borggräfe.

Dr. Julia Borggräfe: Herzlich Willkommen an Björn Böhning, Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium, und Norbert Janzen, Personalvorstand von IBM. Wir wollen heute reden über Karl und Pia mit den beiden. Karl und Pia sind zwei Chatbots, die im Dezember 2018 im Rahmen eines gemeinsamen Forschungsprojekts von IBM und ver.di zu Auswirkungen von künstlicher Intelligenz auf Arbeit und Arbeitnehmerinnen an den Start gegangen ist. Das BMAS hat das Projekt im Rahmen einer strategischen Partnerschaft unterstützt. Die ganze Studie wurde durchgeführt von der Input Consulting GmbH und dem Research Center of Education and the Labour Market der Maastricht University. Die zentralen Fragestellungen, über die wir uns heute unterhalten wollen, waren unter anderem: Welche Effekte hat der Einsatz von Künstlicher Intelligenz am Arbeitsplatz für Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer und ihre Arbeit? Wie wirkt sich Künstliche Intelligenz auf die Arbeitsqualität und die Erfahrungen von Beschäftigten aus? Stichwort gute Arbeitsqualität. Welche neuen Tätigkeiten entstehen, was fällt weg? Und wie ändern sich vor allem auch Kompetenzprofile bestehender Jobs? Und welche Chancen, Perspektiven und Notwendigkeiten ergeben sich daraus? Norbert, vielleicht zuerst an dich, weil du sehr eng dran warst an der Studie. Welche Erkenntnisse hat die Studie erbracht und welche Effekte hat der Einsatz von KI am Arbeitsplatz für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ihre Arbeit tatsächlich gebracht?

Norbert Janzen: Ja, danke. Es ist tatsächlich sehr interessant gewesen. Es war die erste Studie dieser Art und wir haben erkannt, dass KI nicht das Ende der Arbeit ist. Jetzt muss man allerdings auch sagen, dass wir noch in einem sehr frühen Studium der KI Auswirkungen auf die Arbeitswelt sind. Insofern sicherlich auch keine abschließenden Erkenntnisse hier generieren können. Aber, was wir gesehen haben, ist, dass Mensch und Algorithmen sich sehr gut ergänzen in ihrer Fähigkeit, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Unternehmen zu unterstützen.

Nehmen wir das Beispiel des Chatbots, wo eine Verfügbarkeit gegeben ist, auf der anderen Seite wir aber den Menschen im Hintergrund brauchen, der zum einen den Chatbot anlernt, also füttert mit den wesentlichen Informationen und das in einer anderen Art und Weise, als wir vielleicht früher Mitarbeiter per Telefon beraten haben. Auf der anderen Seite auch die Freiheiten, die diese Mitarbeiter in den Abteilungen gewonnen haben für mehr strategische Aufgaben, also mehr Freiheit gewonnen für ihre Tätigkeitsfelder, in denen sie unterwegs sind, in den Unternehmen.

Was wir auch gesehen haben, ist, dass das Thema Aufklärung eine große Rolle spielt. Wir müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitnehmen in den Unternehmen. Denn die Auswirkung von KI, so klein sie am Anfang auch sein mag, bedeutet zuallererst einmal Verunsicherung bei den Mitarbeitenden, die durch Gespräche über die Auswirkungen und was der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin tun kann, um mit dieser Veränderung umzugehen, dann auch beseitigt werden. Wir müssen schauen, welche Skills, welche Qualifizierung, welche Notwendigkeiten bestehen, die Akzeptanz von KI im Unternehmen weiter zu steigern und das auch in den richtigen Lern-Nuggets den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zur Verfügung stellen. Denn es ist, was wir gemerkt haben in der Studie, ein kontinuierliches Lernen notwendig, denn die Einführung von KI ist nicht dieser One Time Event und danach ist alles da und es läuft wunderbar, sondern es bedarf einer kontinuierlichen Anpassung und Veränderung.

Wie der Chatbot lernt, die KI lernt, über die Zeit besser zu werden, so muss sich auch der Mensch, der eine Umgebung der KI arbeitet, jeden Tag wieder reflektieren, was er oder sie dazulernen muss und dann auch natürlich in Absprache mit der Führungskraft die richtige Learning-Q für sich entwickeln. Und das alles zusammen, und das war auch eine wichtige Erkenntnis, wenn nicht sogar die die wichtigste Erkenntnis in unserer Studie, geht es nur im gemeinsamen Dialog. Das heißt nur eine KI einzuführen in einem Unternehmen und die Mitarbeiter zu schulen ist das eine. Aber Vertrauen aufzubauen, das ging tatsächlich in dann auch nur im Dialog mit der Mitbestimmung mit dem Tarifpartner. Und dieser Dialog führt dann auch zu Vertrauen in die Algorithmen, die eingesetzt werden und somit auch zum Vertrauen beim bei den Mitarbeitenden in der Anwendung dieser KI.

Dr. Julia Borggräfe: Wir hören das BMAS war strategischer Kooperationspartner dieser Studie. Was genau ist so interessant für das BMAS an dieser Studie?

Björn Böhning: Zuerst einmal waren wir sehr gerne Partner in diesem Projekt, weil es das erste Projekt, was wir so identifizieren konnten, in der deutschen Industrie gewesen ist, das sozialpartnerschaftliche aufgebaut war, in dem Betriebsräte, Gewerkschaften, Unternehmen selbst daran gearbeitet haben, die Fragen von KI und Einführung von KI in Unternehmen gemeinsam zu erproben und auf den Weg zu bringen.

Und das letztgesagte von von Norbert Janzen, ist, glaube ich, das ganz Entscheidende, was jetzt auch in diesen Projekt offenbar deutlich geworden ist. Es geht bei der Frage der Einführung von KI in Unternehmen immer auch um die Ressource Vertrauen und das auf ganz unterschiedlichen Ebenen.

Auf der Ebene natürlich der Unternehmen, weil auch sie müssen Vertrauen haben, dass die KI ihnen hilft, produktiv zu arbeiten und produktiv zu wirtschaften und damit auch die richtigen Anwendungen zu bekommen. Und dabei hängen natürlich dann auch Fragen von Sicherheit und Ähnliches damit zusammen.

Und auf der Ebene der Beschäftigten, weil sie sollen ja mit der KI arbeiten. Sie sollen sich, wie Norbert es gut dargestellt hat, kollaborativ entwickeln. Und das bedarf natürlich auf der einen Seite einer entsprechenden Qualifikation und auch weiterer Qualifikationen und auf der anderen Seite auch guten Vereinbarungen. Insofern finde ich, zeigt das Projekt ganz spannend, dass gut gemachte Vereinbarungen, die auf Prozesse setzen und nicht auf einen Zeitpunkt, wo man was entscheidet und dann guckt man mal, wie es weitergeht. Sondern die auf Prozesse setzen und diesbezüglich dann die partizipative Ebene mitdenken, dass solche Projekte offenbar erfolgreich sind.

Denn das ist ja unser gemeinsames Ziel. So würde ich das jetzt mal sagen. Wir wollen ja das AI in Unternehmen eingesetzt wird und gute Erfolgsbedingung für eine zügige und nachhaltige Einführung entsprechender Systeme auf der Ebene des Betriebs, die müssen wir herauskitzeln und identifizieren. Und dazu hat das Projekt einiges beigetragen.

Dr. Julia Borggräfe: Darf ich da kurz nachhaken? Stichwort Corona, große Krise. Viele Unternehmen haben anderes zu tun, als sich jetzt mit KI zu beschäftigen. Warum ist es vielleicht trotzdem gerade der richtige Zeitpunkt?

Björn Böhning: Ich glaube, das Projekt ist ja vor Corona gestartet und hat erst einmal sozusagen einen Grundimpuls gesetzt im Hinblick auf die Frage von sozialpartnerschaftlichen KI-Lösungen. Aber die Krise zeigt eben auch, dass die Ressource Vertrauen und entsprechende Vereinbarungen noch wichtiger werden und dass sich Prozesse in der Krise, so ist jedenfalls unsere Annahme, und auch aus Studien abgeleitet, die technologischen Prozesse in der Krise sich nochmal beschleunigen und nochmal verändern. Das hat natürlich etwas mit den veränderten Arbeitsorganisationen aufgrund der Infektionslage zu tun. Das hat etwas damit zu tun, dass Unternehmen, die offenbar schon heute oder vor der Krise modern und flexibel aufgestellt waren, technologiegetrieben gewesen sind, dass die auch besser durch die Krise kommen als andere Unternehmen. Und dementsprechend ist, glaube ich, nochmal das eben Gesagte, nämlich die Frage zu stellen: Was sind gute Erfolgs Bedingungen? Auf der einen Seite für Unternehmen, aber auf der anderen Seite auch für die rasche Einführung von KI-Systemen an Shop flow.

Diese guten Erfolgs Bedingungen auch zu identifizieren und damit dann den Unternehmen, aber eben auch den Betriebsräten guter Ratgeber zu sein, wie man solche Prozesse miteinander bewältigen kann.

Dr. Julia Borggräfe: Norbert, du bist in der HR Community ein bisschen bekannter als der Tekki und derjenige, der sich gerne mit solchen technischen Fragestellungen auch in HR-Prozessen auseinandersetzt. Nimm uns mal mit auf so eine gedankliche Reise in die nächsten zehn Jahre. Wie sieht HR, die Arbeitswelt, mit KI in den nächsten zehn Jahren vielleicht aus?

Norbert Janzen: Ich wäre froh, wenn ich die nächsten Jahre überblicken könnte. Ich glaube, 10 Jahre ist schon ziemlich weit in die Zukunft. Ich denke, wir dürfen uns nicht anmaßen zu verstehen, welche Entwicklung wie schnell eintreten wird. Wir werden das nur iterativ beobachten können und dort antizipieren, welche Veränderungen auf die verschiedenen Rollen in den Unternehmen einwirken. Und wir müssen deswegen auch in eine Richtung gehen, auch in der Sozialpartnerschaft, wo wir keine abschließenden Betriebsvereinbarungen, Handbücher schreiben können, wie eine Rolle für die Zukunft ausschaut. Wir werden dort das niederschreiben können, was wir verstehen bis zu dem heutigen Zeitpunkt und müssen jederzeit in der Lage sein, das Buch wieder zu öffnen und zu ergänzen um die neuen Erkenntnisse. Und ich glaube, dass wir das viel mehr substituierende Effekte sehen werden durch KI in einigen Bereichen, aber natürlich auch Chancen in wiederum anderen Rollen. Vielleicht auch Rollen, die es heute in dieser Form noch gar nicht gibt.

Die gesamte Analytics-Landschaft in den Unternehmen liegt noch relativ brach, wo viele Rollen in vielen Bereichen entstehen werden, die in der Lage sind, das, was KI schafft, zu nutzen. Zum Wohle des Unternehmens, für die Veränderung einzusetzen im Unternehmen. Und das ist das Ziel, welches wir haben sollten die guten Seiten von KI zu nutzen, um die Produktivität zu steigern in den Unternehmen. Zum anderen natürlich aber auch die Nachhaltigkeit der Firmen zu sichern, im Wettbewerb, auch global.

Da kommen wir nicht umhin, diese Veränderung auch mitzumachen, auch im deutschsprachigen Raum. Insofern sollten wir frühzeitig damit anfangen. Die Entwicklung wird sich potenziert nach vorne hin entwickeln. Und wenn ich nicht frühzeitig einsteige, verliere ich mich, mein Unternehmen und ich verliere vor allen Dingen die Mitarbeiter in ihrem Engagement für die Veränderung. Und insofern ist es wichtig, dass wir die Kriterien definieren für die Arbeitsplätze der Zukunft und dass wir sie auf dem Laufenden halten, ständig reflektieren und auch mitteilen über die Führungskräfte zu den Mitarbeitern, individuell für jede Rolle. Jeder im Unternehmen muss verstehen, was bedeutet diese Veränderung für mich in in den nächsten Monaten, sukzessive auch in den nächsten Jahren? Und wie muss ich mich verändern, damit ich hier entsprechend Schritt halte? Oder brauche ich sogar eine eine neue Job-Rolle innerhalb des Unternehmens? Und wie entwickele ich mich dorthin? Das ist eine Verantwortung, die die Unternehmen tragen. Deswegen finde ich es hervorragend, auch hier diesen sozialpartnerschaftlichen Dialog frühzeitig in die Entwicklung, in die Qualifizierung eingehen zu lassen. Da kann man sicherlich über die Tarifpartnerschaft Grundlagen schaffen, auf der Mitbestimmungsebene im Unternehmen, dann weiter spezifizieren und somit den Mitarbeitenden das Vertrauen auch zeigen und auch geben, sodass sie mit vollem Engagement und Zuversicht in diese Vision der Arbeitswelt der Zukunft hineingehen.

Björn Böhning: Darf ich da direkt eine Frage stellen? Weil du ja arbeitest in einem weltumspannenden Unternehmen, das nicht nur in Deutschland oder im DACH-Bereich engagiert ist, sondern aus den USA kommt, aber auch in vielen anderen Regionen der Welt engagiert ist, kannst du unterschiedliche Kulturen identifizieren, wie mit dieser Frage umgegangen wird? Weil natürlich KI-Systeme einfach zu verkaufen, aber auch im eigenen Betrieb einzusetzen, das wird ja nicht nur in Deutschland der Fall sein. Sondern das trägt IBM im Namen. Insofern gibt es da unterschiedliche Bearbeitungsstrategien, vielleicht sogar welche, von denen wir lernen können?

Norbert Janzen: Ja, wir sehen einige Länder sehr offensiv mit neuen Entwicklungen umgehen. Diese einführen, weil sie die Vorteile erkennen und quasi mit der Einführung experimentell unterwegs sind. Sich dann auch Fehler eingestehen und neustarten, rebooten und dann wieder nach vorne gehen. Wir sind etwas zurückhaltender in Deutschland. Ich denke, es täte uns gut, genau diese Experimentierräume auch in den Unternehmen zu schaffen, die Dinge auszuprobieren. Auch mit der Angst, nicht erfolgreich zu sein, umzugehen und und keine Angst vor dem Scheitern zu haben, sondern das als Lernprozess im Unternehmen, in der Veränderung, in dem Veränderungsprozess zu sehen. Und das ist sicherlich etwas, was wir von anderen Ländern lernen können, die hier etwas offensiver reingehen. Und wenn wir das untermalen, mit zum Beispiel einer Rahmenvereinbarung, wie wir sie jetzt im Unternehmen abgeschlossen haben. Eine Rahmenvereinbarung zur künstlichen Intelligenz, die nicht jedes Bit und Byte final beschreibt, aber zumindest mal die Grundwerte, die wir an ein KI-System stellen, festhält. Dann sind wir in der Lage, experimentell mit neuen Systemen im Unternehmen zu agieren und gleichzeitig aber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Vertrauen zu geben, dass dort eine Gruppe von Sozialpartnern zusammensitzt, inklusive KI-Experten, die sich das anschauen und auch die ethischen Richtlinien an diese Tools stellen, aber trotzdem den Freiraum dadurch entwickeln genau dieses Experimentieren zu ermöglichen. Und ich denke, das ist ganz wichtig, damit wir hier auch Schritt halten, auch im globalen Wettbewerb.

Björn Böhning: Ich finde das aus zwei Gesichtspunkten heraus bemerkenswert. Das Erste ist auch wir als Bundesarbeitsministerium fördern ja sogenannte Experimentierräume und wollen, dass auch in der betrieblichen Praxis neue technische Systeme erprobt werden im Einsatz. Und auch in einer partizipativen Mitwirkung der Beschäftigten selbst, weil oftmals der Beschäftigte beim technischen Einsatz der beste Ratgeber ist. Wo sozusagen Tools sich weiterentwickeln müssen und letztlich ja auch ein Stück weit derjenige ist, der die Maschine füttert und mit guten Daten versieht. Insofern glaube ich in der Tat, das Experimentelle herauszukitzeln, aber gleichzeitig dem auch einen Rahmen zu geben, ist, glaube ich, ganz sinnvoll.

Und eine zweite Bemerkung dazu: Wir sind ja am Vorabend einer Novelle des Betriebsverfassungsgesetzes, die wir vorlegen wollen. Und da hantieren wir natürlich genau an dieser Frage. Ist es eigentlich noch an den Systemen richtig fokussiert, dass wir im Paragraf 87 die Mitbestimmungstatbestände haben, die sich eigentlich klassischerweise damals auf E-Government-Anwendungen und so, als das anfing, orientiert haben und da auch eine Mitbestimmung vorsah? Was ich für sinnvoll hielte. Aber im Bereich von KI-Systemen haben wir das auf einer anderen Ebene.

Also müssen wir überlegen, bei einer Technik, die sich mehr oder weniger jeden Tag updated, vielleicht sogar häufiger, wo nicht jedes Tool, was auf die Technik aufgelegt wird, automatisch jetzt fundamentale Beschneidung neuer Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern oder entsprechender Kontrolle ausüben. Sondern wo am Ende die Frage ist, habe ich am Anfang eine gute Grundlage, an der ich dann die weiteren Teilhabeprozesse begutachte? Und da finde ich eigentlich wirklich den Ansatz, der bei IBM und auch dem Betriebsrat gefunden worden ist, zu sagen wir brauchen eine gute Prozess-Vereinbarung. Und dann haben wir gemeinsam getragene Werte. Und wenn das sozusagen, wenn diese Werte bedroht sind, dann muss man darüber reden und dann muss man darüber Entscheidungen treffen oder die auch im Zweifel streitig aushandeln. Das finde ich eigentlich den richtigen Weg und wir suchen natürlich ein bisschen nach Lösungen, wie wir das auch rechtlich abbilden können. Weil natürlich klar ist, es ist so umstritten, ob man die Mitbestimmungs-Tatbereiche einschränkt, erweitert und so weiter.

Aber mein Gefühl, aus vielen Gesprächen mit Unternehmen, aber eben auch mit Betriebsräten ist, dass es an vielerlei Stelle gar nicht mehr darauf ankommt, die vielen Vorlagen, ob eine neue Microsoft Office-Anwendung oder ähnliches da aufgespielt wird, wirklich zu einem harten Gegenstand der unternehmerischen Mitbestimmung zu machen, sondern eher die Frage: Wie kann man die neuen Systeme wirklich so partizipativ gestalten, dass sie zum Nutzen des Unternehmens, aber auch eben zum Nutzen der Beschäftigten selbst genutzt werden?

Norbert Janzen: Das ist ein guter Punkt, Björn. Wir haben einen Ethikrat bei uns eingeführt und es geht tatsächlich da auch nur über den Dialog. Und die Mitarbeitenden bekommen natürlich mit, dass diese Auseinandersetzung mit der Technologie stattfindet, was dann wiederum ein Gefühl auch vermittelt, dass man sich intensiv auch mit Experten dort auseinandersetzt und nicht nur die reine Mitbestimmungspflicht dort abarbeitet. Sondern auch intrinsisch als Unternehmen dort motiviert ist, Einführung zu begleiten. Das andere, was ich ergänzen möchte und das ist, finde ich einen ganz wichtigen Punkt, den du angemerkt hast, ist die Mitnahme der Mitarbeiter auch in der Gestaltung dieser Tools. Das heißt also, die Erfahrung aus dem Arbeitsleben des Mitarbeitenden ist eine wichtige und unabdingbarer Einfluss in die Entwicklung von KI. Das heißt also die Experience, die Erfahrung, des Anwenders von KI in die richtige Richtung zu bringen, geht nur dadurch, früher hat man es betriebliches Vorschlagswesen genannt, heute sind es verschiedene Formen von Partizipation in der Entwicklung von Veränderungen im Unternehmen. Aber es ist ein ganz entscheidender Punkt, auch um die Anerkennung dieser Veränderung bei den Mitarbeitenden zu bekommen.

Dr. Julia Borggräfe: Vielleicht kann man aber, Norbert, nochmal auf die Kompetenzen draufschauen? Du hast es vorhin schon erwähnt, Kompetenzen verändern sich. Vielleicht kannst du das nochmal ein bisschen konkretisieren? Welche Kompetenzen genau verändern sich und wie kann man Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch so schnell diese neuen Kompetenzen beibringen, dass sie in der Lage sind, die neuen Aufgaben dann auch vernünftig zu erfüllen?

Norbert Janzen: Also das ist ein ganz wichtiger Punkt. Ich glaube, das Wesentliche ist, wir werden wieder anfangen müssen zu lernen. Wir müssen lernen zu lernen. Etwas, was wir irgendwann früher mal abgeschlossen haben, als Firmen Auszubildende akquiriert haben und vielleicht noch die eine oder andere Fachschulung über die Zeit im Unternehmen stattfand. Aber grundsätzlich kam man mit seiner Grundausbildung gut zurecht und das, was in seinem Umfeld geschah, das hat sich stark verändert. Die Umfelder, in denen heute gearbeitet wird, verändern sich innerhalb von wenigen Monaten, innerhalb von wenigen Jahren. Das heißt also, die Kompetenz zu lernen ist ein wesentlicher Punkt.

Und jeder, der ein Unternehmen betritt, sollte mit dieser Intention, sich jeden Tag zu reflektieren, neugierig zu sein auf Veränderungen, auseinandersetzen und sich dem bewusst sein. Denn nur so erhält natürlich der Mitarbeitende seine seine Arbeitsbefähigung im Unternehmen und nicht nur im Unternehmen, sondern auch im Markt. Und damit haben wir auch als Unternehmen auch einen gesellschaftlichen Auftrag. Denn wenn wir im Unternehmen diese Entwicklung nicht fortführen, dann verlieren wir natürlich auch insgesamt den Bildungsgrad in der Gesellschaft.

Insofern auch hier geht es wahrscheinlich nur gemeinsam, dass wir zentrale Anlaufpunkte für die Entwicklung von Mitarbeitenden in der Gesellschaft über zentrale Stellen schaffen. Es gab ja auch hier schon erste Ansätze im Qualifizierungs- und Chancengesetz. Zum anderen ist es sicherlich auch der Zusammenschluss von Lernmöglichkeiten über Unternehmensgrenzen hinweg, aber final natürlich das Wesentliche in der Reflexion im Unternehmen selber die Lernumgebung zu schaffen für den Einzelnen, für die Einzelne und dann aber auch die Lern-Nuggets dort hinzuzufügen. Das heißt, den Content hinzuzufügen und damit eine Lernkultur zu schaffen im Unternehmen. Das heißt, Lernen wird normal im Unternehmen und nicht etwas, was ich einmal im Jahr in einem Karriereentwicklungsgespräch mit meinem Manager vereinbare, sondern etwas, was eine Holschuld zum einen des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin wird in einer Umgebung, die der Arbeitgeber aber auch zur Verfügung stellen muss. Und wenn wir das schaffen, diese Umgebung zu erzeugen, dann schaffen wir auch Veränderungen zu gestalten in den Unternehmen und das in eine Kultur, die Veränderungsbereitschaft erzeugt. Das heißt, die Veränderungsbereitschaft sollte beim Mitarbeitenden vorhanden sein. Aber viel mehr der Einzelne ist nicht stark genug, wenn das Unternehmen nicht bereit ist, sich zu verändern. Das heißt also auch die Haltung der Unternehmensführung und damit der Veränderungskultur im Unternehmen ist eine ganz entscheidende für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen der Zukunft.

Dr. Julia Borggräfe: Ja, und was macht das BMAS um genau diese Transformation zu unterstützen?

Björn Böhning: Ich glaube, in der Tat, um daran anzuschließen, es geht um die Motivation. Und zwar Motivation, klassischerweise tripartistisch Motivation der Unternehmen, Weiterbildung als Kultur der Unternehmenstradition zu verstehen und zu verstehen, dass Investitionen in das Humankapital, also Investition in die eigenen Beschäftigten, immer auch eine Investition in die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens sind. Und die Unternehmen natürlich diesbezüglich auch die beste Beurteilung treffen können, was jetzt für ihre Bereiche sinnvolle Weiterbildungsmaßnahmen sind. Und es geht um Motivation für Beschäftigte, dass, wie Norbert schon sagt, sie auch erkennen, dass sozusagen der individuelle Anspruch, auch sich weiterzubilden. Lebensbegleitend Weiterbildung in Anspruch zu nehmen und nicht nur deswegen, weil es gerade viel zu tun, es nicht zu machen, sondern das wirklich auch als als Teil der Arbeit zu verstehen. Das ist wichtig für die Beschäftigten. Und das sieht man schon bei meinem Sohn. Ja, wenn es ihnen Spaß macht, dann tun sie auch. Und insofern ist es schon auch eine Frage der Entwicklung entsprechender Tools innerhalb der Unternehmen, aber auch gewisser Vereinbarungen vielleicht, die dann diese Motivation auch umsetzen. Und tripartistisch auch der Staat spielt hier eine Rolle. Weil ich glaube, dass der Weg, den wir die letzten Jahre eingeschlagen haben, als Arbeitsministerium, als Bundesregierung insgesamt, dass wir wollen, dass die Bundesagentur für Arbeit wirklich für Arbeit zuständig ist und nicht nur für Arbeitslosigkeit. Und damit alles dafür tun, dass Menschen in Beschäftigung bleiben, aber auch in Beschäftigung sich weiterbilden können. Das ist der richtige Weg. Das haben wir mit dem Qualifizierungschancengesetz, mit dem Arbeit-von-morgen-Gesetz untersetzt. Ich glaube, wir sind da noch nicht am Ende der Fahnenstange, weil alles das, was wir jetzt tun, ist orientiert auf zwar etwas längere Weiterbildung, aber immer noch auf Weiterbildung. Wir werden aber auch in beiden sehen, dass Umstiege aus Branchen heraus wahrscheinlich häufiger werben als seltener. Und deswegen glaube ich, müssen wir auch über die Frage von Umstiegen und Brücken zwischen Branchen uns Gedanken machen und die Frage stellen: Wo können Sozialpartner dort ihren Beitrag leisten? Aber wo kann auch der Staat seinen Beitrag leisten, damit dieser Umstieg möglich werden? Denn es ist ja so, dass in bestimmten Branchen wir ein Überangebot an Arbeitskräften haben und in anderen Branchen - IBM weiß das - händeringend Fachkräfte gesucht werden. Also warum sollte es uns nicht etwas wert sein, diese Umstiege auch zu organisieren? Und letzter Punkt: Ich glaube, da ist der Punkt mit der Frage: "Wie kooperieren Unternehmen miteinander?" ganz entscheidend. Ich glaube, dass wir regionale Ökosysteme brauchen, die diese Umstiege, Weiterbildungslandschaften dann auch begründen, wo Kleinunternehmen mit großen Unternehmen zusammenarbeiten, wo sich gegenseitig geholfen wird, wo die Berufsschule, die Fachhochschulen vielleicht eine Rolle spielen können in solchen Verbünden. Das ist jedenfalls unser Ziel, wie wir es jetzt auch mit den Weiterbildungsverbünden auf den Weg gebracht haben. Aber wie gesagt, das ein Ansatz. Das muss in Richtung regionaler Ökosysteme von Qualifizierung noch weitergedacht werden.

Dr. Julia Borggräfe: Abschlussfrage an euch beide: Einmal Norbert, aus der Brille von HR, also Personal und einmal Björn, aus der Brille des Staates. Vielleicht Norbert, Du zuerst. Was sind jetzt die konkreten drei, vier Maßnahmen, die HR jetzt in die Hand nehmen könnte, um sich auch tatsächlich so ein bisschen an die Speerspitze der digitalen Transformation zu setzen?

Norbert Janzen: Ich denke, HR muss sich verstehen als Enabler im Unternehmen. HR hat die Beziehung zu den Sozialpartnern auf der einen Seite und zu der Geschäftsführung auf der anderen Seite und ist natürlich verantwortlich auch für die Mitarbeiter. Es ist eine sehr zentrale Stelle, die eigentlich alle Partner vertrauenswürdig berät. Und in sofern haben wir die Chance, als HR-Abteilung tatsächlich einen neuen Stellenwert auch in den Unternehmen einzunehmen. Und der Verantwortung der müssen wir uns bewusst werden und zwar in alle Richtungen. Nicht einseitig, denn dann verlieren wir die anderen beiden Seiten, sondern tatsächlich in einer vermittelnden Funktion, die Interessen dieser drei Parteien zusammenzubringen und daraus den Weg nach vorne zu generieren. Und dann, glaube ich, haben wir eine Chance, sowohl die geschäftliche betriebswirtschaftliche Seite als auch die sozialpartnerschaftliche Seite und damit aber auch die Mitarbeiter mit einer klaren Strategie nach vorne mitzunehmen und ihnen in die Zukunft zu führen und auch das Vertrauen zu geben. Dass ganzheitlich gedacht wird und nicht nur aus einer Brille heraus, sondern tatsächlich aus einer Gesamtsicht auch im Wohle des Mitarbeiters und der Mitarbeiterin gehandelt wird. Also insofern sehr zentrale Rolle, eine große Verantwortung. Und der müssen wir uns bewusst sein und die müssen wir leben.

Dr. Julia Borggräfe: Ja, und welche Rolle sollte das BMAS einnehmen, um diese digitale Transformation wirklich sehr konkret in den nächsten Monaten und Jahren zu unterstützen?

Björn Böhning: Ich glaube, als oberster HR-ler der Nation kommt uns eine besondere Verantwortung zu, die auch nicht ganz einfach auf unseren Schultern lastet, weil die Prozesse der Transformation so gravierend sind, dass Staat, Sozialversicherung, wo dann auch Sozialpartner auch wieder dabei sind, eine wirklich wichtige Rolle haben. Nicht im Sinne dessen, dass wir schon wissen, wo sich das alles hin entwickelt. Das wird niemand können. Aber doch, wo wir Rat geben können, gemeinsam mit den Sozialpartnern. Wo sind Qualifizierungs- und Kompetenz-Bedarfe, die wir decken müssen? Wo sind Branchen und Qualifikationen, die wahrscheinlich in der Form nicht mehr so benötigt werden, wie das bisher der Fall ist? Und was können wir tun, diesen Prozess auf der Steuerungsebene - Stichwort regionale Ökosysteme - und auch auf der Finanzierungsebene zu begleiten?

Nicht im Sinne, dass der Staat den Unternehmen komplett die Weiterbildungsfinanzierung abnehmen kann oder auch nur will. Aber doch im Sinne dessen, dass dort, wo wir über wirkliche Transformationsprozesse sprechen, wir eine Rolle spielen sollten, um diese Transformation zu bewältigen im Sinne von Sicherheit von Arbeit und Sicherheit von Arbeitsplätzen für Beschäftigte. Aber eben auch, das ist mir wichtig zu sagen, im Sinne von Produktivität und Wertschöpfung in Deutschland. Weil nur dort, wo Fachkräfte vorhanden sind, wird Wirtschaft und Wachstum entstehen können. Insofern ist das schon auch eine wichtige Entscheidung für die Rolle Deutschlands in der Welt insgesamt.

Dr. Julia Borggräfe: Ja, es gibt viel zu tun. Packen wir's an. Danke euch beiden für das Gespräch.

Watson: Auch ich danke euch und Ihnen fürs Zuhören. Wenn Sie mehr wissen wollen, empfehle ich Ihnen die Broschüre zum Projekt. Sie steht zum Download bereit auf dem IBM Think Blog, auf Verdi.de oder auf der Homepage INQA des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

Weiterführende Informationen

Die Ergebnisse der Studie auf ibm.com (PDF) (nicht barrierefrei)