Liebe*r Abonnent*in,
„Corona-Pandemie“ ist das offizielle Wort des Jahres. So hat es die Gesellschaft für deutsche Sprache Ende November bekannt gegeben. Wenig überraschend, denn das Virus hat in diesem Jahr Privatleben wie Arbeitswelt mit zuvor unvorstellbarer Wucht verändert: Millionen Menschen arbeiten seit der Krise im Homeoffice; der Online-Handel wie auch digitale Plattformen, die Essensauslieferungen, Handwerkerleistungen oder Texterstellungen organisieren, boomen, und wir alle kommunizieren und kollaborieren virtuell mittlerweile selbstverständlich, wenn auch manchmal unter technischen Herausforderungen. Ein Event wie die Eröffnung des
KI-Observatoriums Anfang März dieses Jahres, bei dem 300 Gäste aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft im Café Moskau miteinander diskutierten, scheint rückblickend fast wie aus der Zeit gefallen.
Dieses zentrale Projekt aus der
KI-Strategie der Bundesregierung, an deren Fortschreibung wir dieses Jahr gemeinsam mit
BMWi und
BMBF federführend gearbeitet haben, markiert einen Meilenstein in der Arbeit der Denkfabrik: Hier wird analysiert, wie
KI eingesetzt wird und sich auf die unterschiedlichen Lebensbereiche auswirkt. Grundlage dafür ist unter anderen die Entwicklung einer Indikatorik, die die Verbreitung und Anwendung von KI-Technologien sowie deren Auswirkungen zukünftig messbar machen wird. Darüber hinaus beschäftigt sich das Observatorium mit Überlegungen, wie eine Zertifizierung von KI im Sinne einer sozialen Technikgestaltung aussehen könnte und führt Analysen zur Mensch-Technik-Interaktion durch.
In Fokus unserer diesjährigen Arbeit stand aber nicht nur die Analyse von KI, sondern auch die Förderung von gemeinwohlorientierten KI-Anwendungen. Ergänzend zur Erprobung von KI-Anwendungen in betrieblichen Lern- und Experimentierräumen, die das
BMAS auch in diesem Jahr breit fördert, hat die Denkfabrik ein Konzept entwickelt, um soziale Innovationen auf Basis von KI ganzheitlich zu unterstützen und zu begleiten. Denn für Innovationsprozesse im Bereich der sozialen Technikgestaltung stehen bislang nur punktuell die notwendigen Ressourcen zur Verfügung. Um gute Konzepte für KI-Anwendungen von der Idee über die Konzeptentwicklung bis hin zu Umsetzung und Transfer zu fördern, haben wir im September die
Civic Innovation Platform gestartet. Wir freuen uns auf die Auswertung der Einreichungen zum ersten Ideenwettbewerb, die in diesen Tagen beginnt, und hoffen, dass daraus im neuen Jahr viele innovative Projekte entstehen.
Eine faire und gerechte Gestaltung der digitalen Arbeitswelt war in diesem Jahr aktueller denn je, nicht nur für uns. Intensiv wurde auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene über einen möglichen Gestaltungsrahmen für Künstliche Intelligenz und über die wachsende Bedeutung von Plattformen debattiert.
Das BMAS machte diese Kernanliegen der Denkfabrik zu Schwerpunkten der deutschen
EU-Ratspräsidentschaft. Im Juni hat die Bundesregierung zu den Inhalten des
KI-Weißbuchs der EU-Kommission Stellung genommen und ihre Position zum zukünftigen Umgang mit Künstlicher Intelligenz dargelegt. In ihrer Stellungnahme, die unter Beteiligung der Denkfabrik entstanden ist, wurde betont, dass ein selbstbewusster europäischer Umgang mit KI notwendig ist. Dazu gehört ein wirksames Konzept für einen europäischen Ordnungsrahmen, wie er bereits heute in der Produktsicherheit erfolgreich zur Anwendung kommt. Denn neben den vielen Vorteilen der digitalen Transformation müssen jetzt auch auf europäischer Ebene die Weichen für pragmatische Antworten auf die Herausforderungen dieser neuen Technologien gestellt werden.
Dazu gehört auch ein Ordnungsrahmen für neue Arbeitsformen in der Plattformökonomie. Faire Arbeit und einen elementaren arbeits- und sozialrechtlichen Schutz auch in der digitalen Wirtschaft zu sichern - das ist das Ziel der im Dezember veröffentlichten
Eckpunkte des BMAS zu Fairer Arbeit in der Plattformökonomie. Die Denkfabrik hat für das BMAS die Entwicklung der Plattformwirtschaft in den letzten Jahren im intensiven Austausch mit allen Akteur*innen beobachtet, analysiert und für das BMAS entsprechende Vorschläge erarbeitet.
Auch die Anforderungen an den Datenschutz verändern sich in einer zunehmend technologiegetriebenen Arbeitswelt: Das Informationsinteresse des Arbeitgebers muss mit dem Interesse der Beschäftigten an Privatsphäre in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden. Die Denkfabrik hat daher, einem Prüfauftrag aus dem Koalitionsvertrag folgend, einen interdisziplinären
Beirat zum Beschäftigtendatenschutz einberufen. Dieser prüft unter Vorsitz von Justizministerin
a. D.Prof. Herta Däubler-Gmelin die Notwendigkeit eines Updates für den Beschäftigtendatenschutz.
Ein wesentlicher Handlungsschwerpunkt der Denkfabrik war und ist die Strategische Vorausschau. Je unsicherer und offener Gegenwart und Zukunft erscheinen, desto wichtiger ist es, unterschiedliche Szenarien zur Absicherung richtungsweisender Entscheidungen zu entwickeln. Im Vordergrund stand dabei in diesem Jahr die Auseinandersetzung mit möglichen Folgen der Pandemie für die Arbeitswelt. Zum Ende des Jahres starten wir nun den schon länger geplanten umfassenden Prozess zur Strategischen Vorausschau auf die
Arbeitsgesellschaft 2040. Zum Auftakt werden wir explorative Szenarien zur Situation der digitalen Arbeitsgesellschaft 2040 erarbeiten. Mithilfe von Zukunftsbildern von Bürger*innen, Stakeholder*innen und Expert*innen soll dabei unter anderem eine Landkarte plausibler Zukünfte entstehen, die mögliche Themen und Spannungsfelder einer künftigen Arbeitsgesellschaft abbildet.
Damit die digitale Arbeitswelt für alle Menschen gut und sicher funktioniert, braucht es gegenseitigen Austausch und intensive Vernetzung - analog wie virtuell. Wir freuen uns daher auf ein Wiedersehen im nächsten Jahr und wünschen Ihnen frohe und erholsame Festtage!
Das Team der Denkfabrik