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Plattformökonomie

Algorithmisches Management und Interessensvertretung im Fokus eines neuen Forschungsprojekts

Veröffentlicht am 30. Jan 2025

Von Essenslieferung bis Textarbeit: Die Plattformökonomie schafft zahlreiche neue Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt – aber auch Herausforderungen für die Plattformtätigen. Ein vom BMAS gefördertes Forschungsprojekt nimmt die Arbeitsbedingungen der Plattformökonomie in Deutschland in den Blick.

Die Plattformökonomie ist zu einer festen Größe im Wirtschafts- und Alltagsleben geworden. Sie bringt innovative Geschäftsmodelle hervor, die von Verbraucher*innen und Unternehmen täglich vielfach in Anspruch genommen werden und Plattformtätigen neue Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt eröffnen. Häufig genutzte und weit bekannte Tätigkeiten, die über Plattformen vermittelt werden, sind Essenslieferungen, Fahrdienste und Haushaltsdienstleistungen, aber auch Textarbeit, Programmierung oder Rechtsdienstleistungen. 

Zugleich zeigt die aktuelle Entwicklung aber auch, dass die Besonderheit der Plattformökonomie auch Plattformtätige vor Herausforderungen stellt. Das sind beispielsweise sehr niedrige Einkommen, die geringe Planbarkeit der alltäglichen Arbeit und damit verbundene Einkommen, mögliche Scheinselbständigkeit und damit einhergehende, mangelnde soziale Absicherung, risikoreiche Arbeitsbedingungen, die Intransparenz von Bewertungssystemen oder wenige Möglichkeiten, sich im Arbeitskontext zu vernetzen und zu organisieren. 

Das nun gestartete BMAS-geförderte Forschungsprojekt Fairwork des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) und der XU Exponential University Potsdam wird die aktuellen Arbeitsbedingungen bei in Deutschland aktiven Plattformunternehmen vertieft untersuchen. 

Algorithmisches Management und kollektive Interessensvertretung im Forschungsfokus

Ein thematischer Schwerpunkt des Projekts liegt auf dem Einsatz von algorithmischen Managementsystemen. Diese datenbasierten, automatisierten Steuerungsprozesse sind inhärenter Bestandteil des Geschäftsmodells und der Arbeitsorganisation von Plattformunternehmen. Die Plattformökonomie kann daher ein Testfeld für den Einsatz von Algorithmischen Management in anderen Bereichen der Wirtschaft und somit der Ausgangspunkt einer „Plattformisierung von Arbeit“ sein. 

Daher untersucht Fairwork, welche Ansätze des algorithmischen Managements aktuell durch Plattformunternehmen genutzt werden und wie sich diese auf Plattformtätige und deren Arbeitsbedingungen auswirken. Die Systeme weisen bspw. Arbeitsaufgaben oder Aufträge zu, erteilen Anweisungen, beobachten und kontrollieren die Ausführung der Arbeit, gestalten Preise oder ordnen geleistete Arbeit in ein offen einsehbares Bewertungssystem ein. Wie Systeme Algorithmischen Managements funktionieren, ist für die Plattformtätigen weitgehend intransparent, aber auch das Unternehmensmanagement häufig im Detail nicht nachvollziehbar. Auch die Politik und Gewerkschaften haben begrenzt Einblick in die genaue Funktionsweise dieser Systeme. 

Mit den Projekterkenntnissen sollen Hinweise für verbesserten Schutz von Plattformtätigen vor Überwachung und Arbeitsverdichtung in der Praxis gegeben und Handlungsempfehlungen aufgezeigt werden, etwa für Regelungen von Algorithmischem Management bzw. für einen durch Beschäftigte oder ihren Vertretungen mitbestimmten Einsatz dieser Systeme. 

Individualisierung der Arbeit durch Plattformökonomie 

Eine weitere Besonderheit der Plattformökonomie ist die Individualisierung der Arbeit. Ein beträchtlicher Anteil der globalen Plattformtätigen sind Solo-Selbstständige. Aber auch die zunehmende Zahl der Arbeitnehmer*innen arbeitet über eine App oder eine Anwendung einer digitalen Plattform eingehende Aufträge überwiegend eigenständig und unabhängig von den anderen Mitarbeitenden ab. In Deutschland sind Plattformtätige im Bereich Lieferdienste und Fahrdienstleistungen zudem immer häufiger über kleine Subunternehmen angestellt, die mit den Plattformunternehmen zusammenarbeiten. Diese Begebenheiten führen zu noch weniger Kontakt unter Kolleg*innen und zersplitterten Belegschaften. Plattformtätige haben dadurch in der Regel keinen gemeinsamen Arbeitsplatz, an dem sie untereinander unkompliziert kommunizieren und ihre Interessen organisieren können. Nichtsdestotrotz kommt es immer wieder zu Versuchen, sich zu organisieren, um Interessen kollektiv zu artikulieren. Daher untersucht das Forschungsprojekt in einem zweiten Schwerpunkt, welche Herausforderungen für kollektive Interessensvertretung in der Plattformökonomie bestehen, und wie Plattformtätige diesen begegnen, um sich zu organisieren. 

Das Projekt wird im Rahmen des globalen Aktionsforschungsnetzwerks Fairwork durchgeführt, das vom Oxford Internet Institute (OII) und dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) koordiniert wird. Das übergeordnete ist Ziel ist es, die Transparenz über Arbeitsbedingungen in der Plattformökonomie zu erhöhen und Anreize für Plattformen zu setzen, damit Geschäftsmodelle verbessert werden.

Auf der Grundlage von eigenen Recherchen und Erhebungen bei Plattformtätigen, Interessensvertretungen und den Plattformunternehmen selbst, bewertet und vergleicht Fairwork die Arbeitsbedingungen auf digitalen Arbeitsplattformen anhand einheitlicher Kriterien für faire Arbeit und veröffentlicht die Ergebnisse in nationalen oder thematischen Ranglisten. Dadurch sollen die Unterschiede zwischen Geschäftsmodellen und deren Folgen für Erwerbstätige in der Plattformökonomie transparent gemacht werden.